Gute Nacht, Mieze
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Gute Nacht, Mieze
Manchmal scheint es wie verhext: deine Katze hat den ganzen Tag selig auf ihrem Lieblingsplatz verschlafen, war zu nichts motivieren und steht, kaum hast du dich zur Ruhe gelegt, laut maunzend oder mit den Pfoten in deinem Gesicht klopfend neben dir und raubt dir den Schlaf. Manche felinen Nachtschwärmer lassen dich auch zunächst einschlafen und stehen als zuverlässiger Wecker zwischen drei und halb vier auf der Matte, um dir ein unliebsames Ständchen zu bringen. Hast du eher einen kätzischen Handwerker, der dir die Schlafzimmertür des nächtens gestaltet oder einen nachtaktiven Athleten, der scheinbar deine Wände erklimmt? Wie auch immer deine Katze die Nacht gestaltet – sie raubt dir den Schlaf und zahlreiche Nerven, und du hast auch schon eine Menge versucht, ihr dieses Verhalten abzugewöhnen. Richtig?
Du bist nicht allein!
Die beruhigende Nachricht: viele Halter kennen dieses Problem, und es gibt verschiedene Lösungsansätze! Bei nächtlicher Ruhestörung kommen mehrere Faktoren zusammen. Katzen sind dämmerungsaktive Tiere, die gern den Tag verschlafen, um mit dem letzten Tageslicht auf Beutetour zu gehen – also dann, wenn wir es uns langsam gemütlich machen wollen. Gleichzeitig sind wir in unserer Schlafphase besonders nachgiebig bei sogenanntem aufmerksamkeitsheischendem Verhalten, also wenn unser Minitiger alles versucht, um eine Reaktion von uns zu erhalten. Das Problem: geben wir dem Maunzen, Kratzen oder den Künststückchen nach, lernt unsere Katze, dass ihr Verhalten offenbar lohnenswert ist – und perfektioniert es. Andererseits äußert das Tier lediglich ein Bedürfnis – und das sollte von uns nicht unbeachtet bleiben. Wie kommen wir nun aus diesem Dilemma?
Ursachenforschung – Warum macht Mieze das?
Ein häufiger Grund für nächtliche Störungen ist schlichtweg Hunger deiner Katze. Ihr Organismus ist auf viele kleine Mahlzeiten über den Tag verteilt eingerichtet und muss im Zusammenleben mit uns nicht selten größere Hungerphasen aushalten. Idealerweise bekommt deine Samtpfote alle vier bis sechs Stunden eine kleine Mahlzeit, um ihrer Physiologie entsprechend ernährt zu werden. Ist dies zum Beispiel in der Nacht nicht möglich, können Futterautomaten auch Nassfutter frisch zu der eingestellten Zeit freigeben. Fummelbretter aus dem Handel oder selbst gebaut, einzelne, in der Wohnung ausgelegte Futterbröckchen und Schleckmatten für Nassfutter können deine Katze neben der reinen Sättigung wunderbar beschäftigen und damit die langweiligen Stunden der Nacht spannender machen. Damit hast du gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen, denn Langeweile ist ein mindestens ebenso häufig vorkommender Faktor für nächtliche Randale.
Action, Baby! – Kampf der Langeweile
Hand aufs Herz: wie viel Beschäftigung bietest du deiner Katze über den Tag verteilt und in der Nacht? Verschläft sie große Teile des Tages bis du von der Arbeit heimkommst, wird in einer längeren Einheit bespielt und läuft dann wieder eher nebenbei? Kuschelt ihr abends viel auf der Couch? Während dein Arbeitstag sicherlich hektisch und anstrengend war, hatte deine Katze ausreichend Zeit, ihre Akkus aufzuladen und möchte nun nichts mehr als die überschüssige Energie in vielen kleinen Spieleinheiten umsetzen – während du eigentlich zur Ruhe kommen willst. Das beste Rezept: verteile über den ganzen Tag kurze und längere Beschäftigungseinheiten über solitäre Spiele, also alles, womit sich deine Katze allein beschäftigen kann. Dazu eigenen sich wiederum Futterspiele oder eine immer wieder leicht veränderte Wohnung über z.B. Einen umgekippten Stuhl bevor du aus der Tür gehst oder einer tief hängenden Decke über dem Esszimmertisch. Planscht deine Katze gern mit Wasser, kann etwas Wasser in einer Schüssel oder dem Waschbecken sowie kleinen Spielzeugen oder schwimmenden Leckereien beschäftigen. Einzelne, allein bespielbare Spielzeuge können bewusst kurz vor längeren Abwesenheiten oder auch vor der Nachtruhe angeboten und später wieder entfernt werden, um ihren Reiz zu halten. Bist du für deine Katze verfügbar, spiele möglichst häufig mit ihr und binde sie in deinen Alltag ein. Körperliches Spiel und Bewegung werden leider noch immer viel zu sehr unterschätzt, lasten deinen Minitiger aber nicht nur aus, sondern bauen zudem Stress ab. Katzenlaufräder sind hier eine recht neue und überaus praktische Möglichkeit für deine Katze, sich in vielen kurzen Sprints auszupowern. Bedenke auch hier, dass deine Katze eher häufige „Jagdeinheiten“ bevorzugt als nur ein Mal täglich über längere Zeit beschäftigt zu werden.
Rituale helfen dir und deiner Katze – nicht nur in der Nacht
Je regelmäßiger und artgerechter deine Katze über den Tag hinweg beschäftigt ist, desto entspannter kann sie schließlich die Nacht verbringen. Hilf ihr zudem, durch einen strukturierten Tagesablauf und eine Gute-Nacht-Routine, sich auf deinen Rhythmus einzustellen. Lass es kurz vor dem Schlafengehen in einer intensiven Spieleinheit nochmal krachen für deine Katze. Achte darauf, dass euer Spiel langsam ausklingt und dein Energiebündel sich dabei auf die sich anschließende ruhigere Phase einstellen kann. Nichts ist frustrierender als mitten im tollsten Spiel unterbrochen zu werden. Eine Cooldown-Phase bringt sie langsam runter. Der darauffolgenden Snack darf etwas größer ausfallen, um den Tag schließlich in einem immer gleichen Ablauf als Gute-Nacht-Ritual enden zu lassen.
Verhaltenslöschung – eine Zerreißprobe für deine Nerven
Bist du auf die Bedürfnisse deiner Katze einfühlsam eingegangen – dabei solltest du selbstkritisch hinterfragen, ob es deiner Katze wirklich an nichts fehlt, das für sie wichtig ist – beginnt jetzt die schwierigste Phase – das Tier muss lernen, dass sich nächtliche Gesänge nicht mehr lohnen. Wähle eine für dich möglichst stressfreie Phase wie bspw. Deinen Urlaub. Wenn du auf deinen Schlaf angewiesen bist, solltest du diesen Schritt lieber etwas hintenan stellen. Reagierst du nämlich nicht mehr auf das nächtliche Drängen, wird es deine Katze wahrscheinlich zunächst noch nachdrücklicher versuchen. Schließlich hatte es bisher zuverlässig funktioniert. Sie steigert die Intensität bzw. Dauer ihrer Weckversuche für einige Zeit, in der du auf keinen Fall reagieren solltest. Gibst du nach, wird das Tier lernen, dass es einfach noch ein wenig nachdrücklicher sein muss, damit du wieder nachgibst. Dieser Zusammenhang ist oft der Grund, warum sich das Verhalten ursprünglich verstärkt und etabliert hat: du hast zumindest gelegentlich nachgegeben, was deiner Katze signalisiert hat, dass sie offenbar nur hartnäckig genug sein muss bis du reagierst – und schließlich gibt sie alles, um das Erwünschte zu bekommen. Stehst du diese Phase durch, wird es nach und nach besser. Achte unbedingt darauf, nicht nachlässig zu werden, die Bedürfnisse deiner Katze tagsüber zu erfüllen – ein fairer Deal für deinen Schlaf und ihr glückliches Leben oder?!
Carmen Schell, Inhaberin von Cattalk®, ist als ausgebildete Tierpsychologin (ATN) mit dem Fachgebiet Katze im Rhein-Main-Gebiet, überwiegend rund um Darmstadt und Frankfurt sowie im Online-Coaching tätig. Sie bietet professionelle Unterstützung bei allen Fragen zu der Haltung und Problemverhalten von Samtpfoten. Neben der persönlichen Beratung gibt sie regelmäßig Vorträge und bundesweite Seminare für interessierte Laien und Profis. Ihr Herz hat die Autorin besonders an Katzen aus dem Tierschutz verloren und engagiert sich ehrenamtlich im regionalen Tierschutz.