Tinker im Rasseportrait

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Tinker im Rasseportrait

Das Erscheinungsbild der Tinker oder Gypsy Cobs ist ziemlich unterschiedlich – und doch erkennt fast jeder einen Tinker: kräftige Ponys oder Kleinpferde mit großer Scheckung und langem Behang, also viel Mähne und Schweif sowie langen Haaren an den Beinen. Es gibt die Tinker aber auch als Schimmel, Rappen oder Braune. Die Scheckung kann ebenfalls unterschiedlich sein, machen doch genau diese Flecken einen Tinker so individuell.

Steckbrief
Rassebezeichnung: Tinker
Stockmaß: 135 – 160 cm
Häufige Farben: überwiegend Schecken
Ursprungsland: Irland und England
Hauptsächliche Eignung: Fahrpferd, Freizeitpferd
Charakter: freundlich und unerschrocken
Besonderheiten: auffälliges Langhaar und Behang an den Beinen

Herkunft und Geschichte

In Irland und England wurden die Menschen, die mit ihren Pferdewagen durch die Gegend fuhren, „Tinker“ genannt. Tinker bedeutet Kesselflicker. Die Kesselflicker zogen durch die Gegend, reparierten Töpfe und Kessel und verkauften den Menschen neben den Dienstleistungen auch Waren.
Die Kutschen dieser Landfahrer wurden von Pferden gezogen. Ursprünglich verwendeten die Fuhrleute Esel, denen dann aber die gegen Ende des 19. Jahrhunderts aufkommenden Planwagen zu schwer wurden. Kräftigere Pferde wurden gebraucht und die fanden die Kesselflicker auf ihren Reisen: Dort kauften sie die Pferde, die sie besonders preisgünstig erwerben konnten. Oft waren dies Schecken, die bei ihren jeweiligen Rasse- und Zuchtverbänden nicht anerkannt wurden oder unerwünscht waren.

Für das fahrende Volk hatten die Schecken den Vorteil, dass sie einzigartig waren – schließlich ist kein Schecke wie der andere – und so konnte man jedes Pferd von den anderen unterscheiden. So begann eine Zucht mit ganz unterschiedlichen Schecken. Mit eingekreuzt wurden in diese Pferde dann Dales-Ponys und Kaltblüter wie Shire Horses oder Clydesdales, deren Verwandtschaft mit den Tinkern man heute noch erkennen kann.

Seit Ende des 20. Jahrhunderts kamen Tinker vermehrt nach Deutschland und Holland, wo sie schnell Freunde unter den Freizeitreitern fanden. Sie werden in Deutschland von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung seit 2005 auch als Rasse eingetragen, wenn sie nicht größer als 160 cm sind. Größere Pferde werden als Irish Cob bezeichnet. Im Alltag werden diese Bezeichnungen gern gleichwertig für alle diese Pferde verwendet.
Durch den Boom in Deutschland wuchs auch das Interesse an den Tinkern in ihrer irischen Heimat, sodass auch dort, ebenso wie in den Niederlanden, ein Zuchtverband gegründet wurde. Aus den bunten Mixpferden ist also eine anerkannte Rasse geworden.

tinker herde

Interieur

Tinker sind aus verschiedenen und auch ganz unterschiedlichen Rassen entstanden und dennoch haben sie fast alle einen eher gemütlichen Charakter. Da das fahrende Volk zuverlässige und unerschrockene Pferde vor den Kutschen brauchte, wurde bei der Zucht Wert auf gute Nerven und ein gemäßigtes Temperament gelegt. Dabei sind die ruhig wirkenden Pferde durchaus sensibel und schließen sich eng an ihren Menschen an. Tinker sollen nicht aggressiv sein. Ihr sanftes Wesen wirkt auf viele Menschen sehr vertrauenserweckend, weshalb sie in der Reittherapie sehr geschätzt werden.

Exterieur

Der Tinker ist leicht zu erkennen: Das Pferd ist mittelgroß, zwischen 135 – 160 cm groß, gescheckt und hat einen kräftigen Kopf. Der Tinker ist kräftig gebaut und hat einen langen Behang. Dazu gehören nicht nur eine lange Mähne und ein üppiger Schweif, sondern auch der typische Fesselbehang, der die Hufe teilweise bedeckt. Der Körperbau wirkt eher grob, weil er so starkknochig ist, und die Kruppe ist gespalten.

Die Scheckung mit den großen Farbflecken nennt man Plattenscheckung und es gibt sie in fast allen Farben. Auch einfarbige Tinker in den üblichen Fellfarben Schwarz, Braun oder Fuchs kommen vor, sind aber fast so selten wie Schimmel. Typisch wiederum sind große weiße Abzeichen an Kopf und Beinen, manche Pferde haben sogar weiße Flecken am Unterbauch. Sie werden als „Splashed“ bezeichnet.

Haltung

Am liebsten leben Tinker mit Artgenossen in Offenställen, wobei man bei der Fütterung aber darauf achten muss, dass die auf gute Futterverwertung gezüchteten Schecken mit zu viel nahrhaftem Weidegras und zu viel Getreide oder synthetischen Futterzusätzen Probleme bekommen. Damit der robust wirkende Tinker wirklich ein gesundes und widerstandsfähiges Kleinpferd sein kann, muss auf eine gesunde, angepasste Ernährung geachtet werden.

Unproblematisch sind stattdessen meist die Hufe der Tinker. Sie haben eine gute Hornqualität und viele Tinker können beim Freizeitreiten barfuß geritten werden. Probleme wie beispielsweise eine zu flache Sohlenwölbung oder ähnliches sollten natürlich immer ein Grund für einen Beschlag oder einen temporären Hufschutz mit Hilfe von Hufschuhen sein.

tinker mit fohlen

Rassetypische Erkrankungen

Nicht wenige Tinker neigen zu Mauke, einer juckenden Hauterkrankung im Fesselbereich. Der üppige Fesselbehang schafft ein ideales Milieu für die Erreger der Krankheit und so sieht man viele Tinker regelmäßig mit den Füßen aufstampfen und sich mit dem Maul oder an Gegenständen an den Beinen kratzen. Leider muss man daher chronische Mauke zu den typischen Erkrankungen dieser Rasse zählen. Um sie zu vermeiden, sollte gerade bei Tinkern viel Wert auf die gründliche Pflege des Behangs gelegt werden. Unnötige Bodennässe (“Matschpaddocks”) muss unbedingt vermieden werden.

Eignung/Nutzung

Tinker sind äußerst beliebte Freizeitpferde, deren Reiter und Besitzer ihr angenehmes Temperament schätzen. Dabei eignen sie sich hervorragend zum Wanderreiten, da sie meist über einen guten Schritt verfügen. Als typische Kutschpferde, die sie ursprünglich waren, ist ihr Galopp nicht immer so gut gesprungen, aber der Trab ist meist fleißig. Ihr Talent liegt eher selten in den klassischen Disziplinen Dressur und Springen. In Westerndiszipinen wie Horsemanship und Trail fühlt sich der Tinker hingegen durchaus wohler.

Tinker binden sich eng an ihre Bezugspersonen und gelten als sensibel. Wer darauf achtet, dass sich der Tinker mit seinem dichten und eher harten Fell bei 35 Grad im Schatten nicht so wohl fühlt und im Sommer die Reitaktivität nicht in die Mittagzeit legt, hat mit einem Tinker einen fleißigen und freundlichen Freizeitpartner an seiner Seite.

 


Silke Behling

©Ricarda Wowries

Silke Behling ist selbstständige Redakteurin und arbeitet sowohl im Buch – als auch im Zeitschriftenbereich. Ihre Veröffentlichungen reichen von Fachbüchern bis zu Zeitschriftenartikeln. Als Diplom-Pädagogin liegt ihr der Bereich Bildung und Kinder besonders am Herzen, weshalb sie seit vielen Jahren für das Kindermagazin „Piaffino“ schreibt. Zudem bietet sie als ausgebildete Pferde-Physiotherapeutin (DIPO) Akupunktur und Physiotherapie für Pferde und Hunde im Raum Osnabrück an. Ihre Freizeit genießt sie mit ihrem inzwischen 24-jährigen Vollblutaraber El Santee, mit dem sie beim Distanzreiten früher Wettkämpfe bis zu 120 Kilometern bestritten hat, und ihren beiden Hunden Lotta und Easy.


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