Vom Problemhund zum Musterhund

Bei manchen Hunden scheint in Sachen Erziehung bereits alles verloren. Sogenannte Problemhunde überfordern ihre Besitzer und sind oft schwer zu halten. Doch mit intensivem Training kann auch den ganz schweren Fällen geholfen werden. Hundetrainerhin Perdita Lübbe-Scheuermann erzählt die (Erfolgs-) Geschichte von Problemhund Makulu.


Makulu („der Große“ auf Shangaan, einer afrikanischen Sprache), ehemals Astor, kommt ursprünglich aus dem Tierheim Fulda, wohin er wegen Todesfalls des Besitzers abgegeben wurde. Auch in Fulda war er schon einmal vermittelt, kam aber wegen eines Beißvorfalls zurück. Nun war guter Rat teuer, denn Makulu biss sich durch die Menschen – ein typischer Problemhund. Für den Tierheimalltag war das fast unmöglich zu bewerkstelligen, denn Hunde mit derartigen special effects brauchen eine ganz besondere Betreuung und tägliches Training.

So landete Astor im Januar 2015 in dem Projekt „Start ins – neue – Leben“ meiner Hundeakademie. Er biss, wenn man ihn anfassen wollte, wenn man in die Nähe des Futters kam, wenn ihm eine Decke wichtig war, wenn er allgemein mit dem linken Pfötchen zuerst aufgestanden war. Zuverlässig war er in dem, was er tat. Er flog einem regelmäßig in allen möglichen Situationen „um die Ohren“.

Woher kommt so ein Verhalten?

Makulu hat nicht viele Grenzen und Verbote erfahren in seinem früheren Leben und wurde schlichtweg zum Prinzen gemacht. Für ihn gilt: „Wo ich bin ist vorne“ und weiterhin „alles hört auf mein Kommando“. Wer sich dem widersetzt, bekommt auf die Finger. So wurde aus einem sehr normalen Hund mit einer Portion Terrier-Veranlagung ein sogenannter Problemhund. Natürlich gibt es noch andere Gründe, weshalb Hunde anfangen zu beißen, aber das würde hier den Rahmen sprengen.

Das Training mit dem Problemhund

Makulu wurde mit einem Maulkorb abgesichert und mein Team und ich haben täglich mit ihm trainiert. Er lernte zum einen Grenzen kennen, zum anderen, dass wir ihm Beute nicht streitig machen. Wir haben sein Verhalten nicht negativ bewertet und nicht wichtig gemacht. Allerdings zogen wir auch nicht die Finger weg, wenn er mal wieder einen Wutanfall bekam. Wir saßen sein Verhalten sozusagen aus, bis er sich beruhigte.

So lernte er, ohne sein Gesicht zu verlieren, allmählich uns Menschen zu vertrauen. Er fühlte sich wohl in einem sicheren Rahmen und bekam viel „Lob für gut“. Nach und nach fing er an, Nähe zu genießen. Besonders von meiner Assistentin Silke. Sie durfte ihn ziemlich bald bürsten und auch ans Halsband greifen, was bei anderen sonst nahezu unmöglich war.

Kinder erkennen sich am Gang

Problemhund Makulu und Silke (Foto: Sabine Stuewer)

Und so fanden immer mehr Treffen zwischen Silke und Makulu statt. Sie mochten sich, respektierten sich. Das Universum brachte seine Finger ins Spiel und ließ Silkes Chesapeake Bay Retriever „Silver“ von uns gehen, sodass wieder Platz für einen neuen Hund in Silkes Wohnung und Herzen frei wurde. Dieser Platz gehörte nun Makulu, der zu Weihnachten 2015 bei ihr einzog.

Der Einzug verlief nahezu problemlos. Grenzen wurden ausprobiert und durch Silke sehr kompetent abgesteckt. Er wurde mit Liebe empfangen, aber nicht wie ein Prinz behandelt. Makulu hat anfangs aus Sicherheitsgründen noch einen Maulkorb getragen, der sehr flott in einer Schublade verschwand.

Natürlich ist Makulu nicht für immer geheilt – das gibt es nicht, denn der Charakter, die Erfahrung spielt eine Rolle. Die beiden arrangieren sich nahezu perfekt. Silke weiß, dass er um die Fressenszeit nicht angefasst werden muss und er weiß, dass er sich zu benehmen und Grenzen einzuhalten hat. Für die Beziehung ist Vertrauen das A und O – und das haben beide geschafft herzustellen. Wenn man die beiden sieht, möchte man nicht meinen, dass Makulu einst so ein Problemhund war.

Der Mini-Rückschlag

Kürzlich hat Makulu sich in ein Mausloch vertieft und um sich herum die Welt vergessen.  Silke hatte es eilig und wollte ihn von dort wegholen, da er verbal nicht ansprechbar war. In diesem Moment flog er ihr entgegen und erwischte sie ein ganz kleines bisschen mit einem Zahn. Hätte er gewollt, dann hätte die Hand anders ausgesehen. Man darf eben nie vergessen, wo sie herkommen und nie nachlässig werden. Hunde lernen ihr Leben lang und stellen auch immer wieder neu in Frage: „Bist Du noch kompetent?“

Das Leben mit Makulu

Silke, Makulu und die beiden anderen Silke-Hunde leben sehr entspannt miteinander. Ein Hund, der den Stempel „gefährlich“ hatte, läuft jetzt nahezu unauffällig durchs Leben. In engen Situationen sichert Silke rücksichtsvoll mit Maulkorb ab. Die beiden sind glücklich miteinander und ich wünsche ihnen noch viele, schöne Jahre.

Mein größtes Glück ist es zu sehen, wenn Menschen sich der Hunde annehmen, die keiner mehr haben mag oder die abgeschrieben wurden. JEDER hat eine zweite Chance verdient.

 


Perdita Lübbe-Scheuermann betreibt seit 1994 die Hunde-Akademie in Griesheim bei Darmstadt. Sie ist durch die Tierärztekammer Schleswig-Holstein zertifizierte Hundetrainerin und Mitglied des Prüfungsausschusses „Tierpfleger/innen“ der Industrie- und Handelskammer Gießen-Friedberg. Gemeinsam mit ihrem Team unterstützt sie Hundebesitzer mit viel Feingefühl und einer großen Portion Humor bei der Erziehung und im Umgang mit deren Vierbeinern nach dem Motto: „Für ein harmonisches Miteinander von Mensch und Hund“. Die Buchautorin schreibt für diverse Hundezeitschriften und ist regelmäßig im Fernsehn zu Gast. Neben zahlreichen Seminaren und Fortbildungen sowohl für Hundehalter als auch für Hundetrainer bietet sie als Beraterin und Coach tiergestütztes Coaching mit Pferden und Hunden an. Im August 2012 entwickelte sie mit ihrem Mann Ralf das Projekt „Rettet das Nashorn“, weil diese durch die Wilderei vor dem Aussterben bedroht sind. Im Januar 2015 entstand ihr zweites Projekt „Start ins – neue – Leben“ zur Resozialisierung von aggressiven Tierheimhunden. (Bildquelle: Debra Bardowicks)