Hoher Fleischanteil im Hundefutter: ein Qualitätskriterium?

Dein Hund soll nur das für ihn beste Futter bekommen. Schließlich möchtest du, dass er etwas frisst, das nicht nur sättigt und schmeckt, sondern ihn auch sein Leben lang fit und gesund hält. Was liegt da näher, als dem Fleischfresser ein Futter zu servieren, das einen möglichst hohen Fleischanteil hat oder sogar gänzlich aus Fleisch besteht? Denn oftmals wird ein hoher Fleischanteil im Hundefutter als Zeichen für besonders hohe Qualität gewertet. Aber vielleicht ist das etwas zu einfach gedacht. Wir möchten dir im Folgenden ausführlich erläutern, was es bei einer guten Hundeernährung hinsichtlich des Fleischanteils zu berücksichtigen gibt.

Kleine Futtermittelkunde: Was ist eigentlich Fleisch?

In der Futtermittelkunde oder Ernährungswissenschaft wird die reine Skelettmuskulatur als Fleisch bezeichnet. Das heißt, dass alle anderen Teile eines Schlachtkörpers nicht unter diesen Begriff fallen. Auch die Innereien (z. B. Lunge, Leber, Herz), die aus ernährungsphysiologischer Sicht für unsere Hunde sehr wertvoll sind, werden bei der Verwendung des Begriffes “Fleisch” außen vor gelassen. Sie fallen unter tierische Nebenprodukte.

Ein kleiner Exkurs dazu: Die Bezeichnung der tierischen Nebenprodukte ist oft negativ verknüpft. Das ist meist völlig unbegründet. Denn Fleisch und tierische Nebenprodukte müssen auch in der Tiernahrung von Schlachttieren stammen, die als für den menschlichen Verzehr tauglich bewertet wurden. Es landen keine Abfälle im Tierfutter.

Was macht gutes Fleisch aus?

Fleisch ist ein hochgelobter Futtermittelbestandteil. Und das auch mit gutem Grund, denn es weist eine nahezu optimale Aminosäurezusammensetzung für den Hund auf. Aminosäuren sind – einfach erklärt – ein Teil der biologischen Bausteine eines jeden Körpers. Es sind kleine Moleküle, aus denen größere im Körper zusammengesetzt werden: Die Proteine oder auch Eiweiße. Ohne Proteine könnte der Hund nicht leben. Wesentlich dafür, wie wertvoll das Fleisch für den Hund ist, ist also das vorhandene Aminosäurenmuster im Fleisch. Je besser es zu den Bedürfnissen des Hundes passt, desto weniger “Stoffwechselabfall” fällt an.

Das Fleisch, also die Skelettmuskulatur, unterliegt aber in seiner Qualität als Futtermittel auch Schwankungen. Und nicht immer ist das Aminosäuremuster optimal. Zur Verdeutlichung: Der Kaumuskel eines pflanzenfressenden Tieres ist ein sehr kräftiger Muskel, der aber von starken, sehnig-bindegewebigen Fasern durchzogen ist. Schaffleisch kann mitunter sehr fettreich sein. Filet dagegen besteht fast ausschließlich aus Muskelfasern. Das alles ist Fleisch. Qualitativ weist es trotzdem große Unterschiede auf, die man auch in der Verdaulichkeit bemerkt. Von besonders hochverdaulichem Fleisch braucht dein Hund folglich weniger in der Gesamtration als von qualitativ schlechterem.

Der Hund und seine natürliche Ernährungsweise

Um dir ein Urteil über gute und schlechte Ernährung erlauben zu können, musst du stets beide Seiten betrachten. Die Nahrungsbestandteile einerseits und andererseits den Organismus, der sie für sich verwenden soll. In diesem Fall also der Hund.

Üblicherweise unterteilen wir Tierarten nach ihren Fressgewohnheiten in pflanzenfressende (herbivore), allesfressende (omnivore) und fleischfressende (carnivore) Tiere. Pflanzenfressend ernähren sich zum Beispiel Pferde und Rinder, Allesfresser sind etwa Schweine und Bären, als Fleischfresser und damit klassische Raubtiere, würden wir Katzen und Wölfe bezeichnen. Und unser Haushund? Auf den ersten Blick ist es fast selbsterklärend: Der Hund stammt schließlich vom Wolf ab. Also bedienen wir uns der Formel Fleischfresser = Wolf = Hund?

Das wäre zu einfach. Denn vom Wildtier Wolf bis zum Haustier Hund hat sich eine jahrtausendelange Entwicklung vollzogen. Auch in Bezug auf den Verdauungstrakt. Nur ist der für uns nicht auf den ersten Blick so eindeutig zu erkennen wie der Unterschied zwischen einem Beagle und einem Grauwolf. Aber dank intensiver Forschung konnte erkannt werden, dass es auch bei der Verdauung ganz erhebliche Unterschiede gibt. Zum Beispiel besitzt der Haushund im Gegensatz zum Wolf ein deutlich besser funktionierendes Enzym für die Verdauung von Stärke.

Als Enzyme bezeichnet man komplexe Moleküle, die dabei helfen, Reaktionen im Stoffwechsel zu erleichtern. Im genetischen Code eines jeden Lebewesens ist festgelegt, welche Enzyme sein Organismus herstellen kann. Dieser Code hat sich im Verlauf der Entwicklung vom Wolf zum Hund also verändert. Der Hund hatte folglich einen evolutionären Vorteil, wenn er Stärke verdauen konnte. Das macht auch Sinn, denn die ersten Hunde, die in menschlicher Obhut gehalten wurden, werden kaum mit Fleisch gefüttert worden sein. Denn das wollten die Menschen selbst verzehren. Hunde bekamen eher stärkehaltige Nahrung, auf die besser verzichtet werden konnte, wie etwa getreidehaltiges Brot. Die Hunde, die sie dank des zusätzlichen Enzyms gut vertragen, verdauen und damit gut für sich nutzen konnten, haben sich gegenüber anderen auf längere Sicht durchgesetzt.

Ist ein hoher Fleischanteil im Hundefutter nötig?

Was bis jetzt kompliziert erklärt wurde, ist eigentlich recht simpel: Der Hund ist kein reiner Fleischfresser, sondern nah dran am Allesfresser. Er kann bzw. muss sogar etwas anderes als Fleisch fressen. Denn selbst der Wolf frisst auch Innereien, Mägen und Därme (zum Teil sogar mit Inhalt) seiner Beutetiere. Seinen Speiseplan ergänzen übrigens auch Früchte und Beeren. Das heißt: Auch ein Fleischfresser im klassischen Sinne frisst eigentlich viel mehr als die auf der Futterpackung als Fleisch deklarierte Skelettmuskulatur. Und noch dazu ist dein Haustier Hund im Gegensatz zum Wolf gar kein ganz klassischer Fleischfresser mehr.

Du darfst dich also nicht durch unterschiedliche Definitionen des Begriffes Fleisch fehlleiten lassen. Im Wort “Fleischfresser” kann man “Fleisch” besser durch “Beutetier” ersetzen. Auf der Futterverpackung steht es für “Skelettmuskulatur”. Diese Begrifflichkeiten gleichzusetzen, wäre im Hinblick auf gute Hundeernährung ein fataler Fehler.

Getreide im Hundefutter

Es wird oft heiß darüber diskutiert, was es nutzt und ob es im Hundefutter überhaupt etwas verloren hat: Getreide. Dazu zählen zum Beispiel Hafer, Hirse, Mais, Weizen, Gerste, Roggen und Reis. Getreide enthält große Mengen energieliefernde Kohlenhydrate (vor allem Stärke), ist eher proteinarm und trägt viele Vitamine in sich.

Wie bereits erwähnt, ist der Hund ein Beutetierfresser mit Tendenz zum Allesfresser und besitzt sogar ein hochaktives Enzym für die Verdauung von Stärke. Im Magen-Darm-Trakt der natürlichen Beutetiere findet sich auch Getreide. Hier hat es für das Raubtier den Vorteil, dass es gewissermaßen vorverdaut aufgenommen werden kann. Einen ähnlichen Effekt erreichst du, indem du das Getreide für die Hundemahlzeit kurzzeitig erhitzt. Dadurch wird es aufgeschlossen und die wichtigen Bestandteile sind für den Hund einfacher verfügbar. Roh und als ganzes Korn verfüttert ist es nicht gut verdaulich. Als Flocken (z.B. Haferflocken) dagegen sind viele Getreidesorten hochverdaulich, da sie bei der Herstellung Wärme und Druck ausgesetzt sind. Ganz ähnlich verhält es sich mit dem in Trocken- und Nassfutter enthaltenen Getreide. Im Herstellungsprozess wird es erhitzt und damit für die Verdauung des Hundes aufgeschlossen.

Mit ihrem hohen Gehalt an Kohlenhydraten helfen Getreidesorten dabei, dem Futter die notwendige Energiedichte zu geben. Gleichzeitig wird eine dauerhafte Überversorgung mit Proteinen verhindert, die Nieren- und Leberstoffwechsel belasten könnte und zudem auch mit der Entstehung von Allergien in Zusammenhang gebracht wird.

Apropos Allergien: Getreide gilt unter Verbrauchern weit verbreitet als Allergieauslöser und wird deshalb ungern gefüttert. Warum eigentlich? Wie entstehen Allergien und was ist der Auslöser dafür? Als auslösend für Futtermittelallergien werden in erster Linie Darmerkrankungen betrachtet. Wenn die Darmwand durch Entzündungen vorgeschädigt ist, können unvollständig verdaute Futterpartikel diese passieren und mit dem Immunsystem in Kontakt treten. Eine überschießende Immunreaktion bedingt dann die Allergie. Wichtig dabei: Es ist nahezu egal, ob der aufgenommene Futterpartikel dabei von Getreide, Fleisch, Fisch, Gemüse oder auch sogenannten Futtermilben stammt. Das erklärt auch, warum allergische Hunde oft gleich auf mehrere Futtermittelbestandteile reagieren.

Wichtig ist: An Allergien leidende Hunde sind krank. Sie reagieren meist auf Proteine im Futter. Und diese können aus Rindfleisch genauso wie aus Hafer oder beliebigen anderen Futterkomponenten stammen. Sie brauchen individuell an sie und ihre Erkrankung angepasste Ernährung. Getreide ist also nicht per se allergieauslösend. Gesunde Hunde können ihr Leben lang mit Getreide im Futter ernährt werden, ohne Beeinträchtigungen zu erfahren.

Individuelle Entscheidung erforderlich

Viele Faktoren beeinflussen also, ob ein hoher Fleischanteil im Hundefutter nötig ist und wie hoch dieser dann sein sollte. Dazu zählt das Alter, der Entwicklungs- und Gesundheitszustand sowie die Aktivität des jeweiligen Hundes. Und auch, welche anderen proteinreichen Futtermittel in der angebotenen Ration enthalten sind. Zu diesen Futtermitteln zählt zum Beispiel Fisch. Wird er gefüttert, braucht der Hund weniger Fleisch. Aber ist ein hoher Fleischanteil im Hundefutter nun gut, wie hoch soll er sein und was wäre zu viel?

Ein junger Hund, der sich im Wachstum befindet, braucht zum Aufbau seines Körpers viele Aminosäuren, um eigene Proteine herzustellen. Folglich ist sein Organismus dankbar für einen hohen Fleischanteil im Hundefutter. Der Anteil sollte gut verdaulich und proteinreich sein.

Ein alter Hund braucht dagegen nicht mehr so viel davon, im Gegenteil: Zu viel Fleisch und zu viele für ihn unbrauchbaren Proteine könnten seine Leber- und Nierenfunktion negativ beeinflussen. Für solch einen Hund ist das Enzym zur Stärkeverdauung besonders wertvoll. Denn er kann die benötigte Energie besser über Kohlenhydrate in Getreide oder Kartoffeln zu sich nehmen, um seinen Stoffwechsel zu entlasten.

Du solltest also nicht blind einem Trend folgen. Stattdessen ist es ratsam, eine individuelle Entscheidung zum Wohle deines Hundes zu treffen.