Pferde im Karneval – Tierquälerei?

„Denn wenn et Trömmelche jeht, dann stonn mer all parat“ – Pferde im Karneval gehören dazu, wie Kamelle oder Strüßjer. Doch wie stressig ist der Trubel für sie? Erfahre hier, wie Pferde auf ihre Aufgabe vorbereitet werden, wie sie dem Stress standhalten und wie sich ein Umzug auf ihr Nervenkostüm auswirkt.

Pferde im Karneval haben eine lange Tradition und gehen auf die traditionellen Prinzengardisten zurück. Zunächst wurden die „Corps du Garde“ als Leibwacht für Fürsten, Könige oder Kaiser eingesetzt. Sie hatten jedoch mit ihren einheitlichen und farbenprächtigen Uniformen bereits im 18 Jahrhundert „nur noch“ eine schmückende Funktion. Damals wie heute waren die Prinzengarden zum Teil auf Pferden unterwegs. Und auch in diesem Jahr sind für die Leibwacht des Karnevalsprinzen im Kölner Rosenmontagszug bereits 480 Pferde angemeldet. Auch wenn die Vierbeiner besonders bei großen Umzügen, wie dem in Köln, schon seit Jahren das Bild prägen, gibt es jedes Jahr aufs Neue kritische Stimmen, die den Einsatz von Pferden im Karneval kritisieren. Der Stress sei für die Pferde zu hoch und der Einsatz für Mensch und Tier gefährlich.

Sedieren oder trainieren?

Vor allem steht die Methode des Sedierens, mit der man versucht die Pferde für die Zugstrecke ruhig zu stellen, in der Kritik. Man unterdrückt mit Hilfe von Beruhigungsmitteln den natürlichen Fluchtinstinkt der Tiere. Obwohl das Sedieren verboten und somit tierschutzwidrig ist, sieht man immer wieder Pferde, die den Anschein machen, als hätte man ihnen trotz des Verbotes Beruhigungsmittel verabreicht. Bei Wallachen ist das oftmals an dem schlaff heraushängenden Glied zu erkennen. Dabei bietet selbst das Sedieren keine Garantie für Sicherheit. Im Gegenteil, sedierte Pferde sind unsicher auf den Beinen und reagieren häufig sogar besonders nervös, wenn die Wirkung nachlässt. Das stellt eine Gefahr für Reiter und Tier, sowie für die Zuschauer dar.

Natürlich ist das Sedieren der Tiere nicht die Regel und durch verstärkte Kontrollen durch die Behörden, eingeschränkt worden. Stattdessen setzt man bei den Karnevalsumzügen auf speziell geschulte Pferde, die auf den Einsatz bei Großveranstaltungen schon Monate im Voraus vorbereitet werden. Auf die Fähigkeiten der Reiter wird auch immer mehr geachtet.

Reichten früher schon ein paar Pflichtstunden, so bereiten auch die Reiter sich heute schon im Voraus auf die Karnevalsveranstaltungen vor. Die Vereine treffen sich zu gemeinsamen Ausritten, trainieren mit Musik und Trubel in den Reithallen und bereiten die Pferde auf ungewöhnliche Situationen und Gegenstände vor. Die Kölner Prinzengarde zum Beispiel, lässt das Können der Reiter zusätzlich von einem unabhängigen Turnierrichter abnehmen.

Eskalation in Aachen 2012

Ein Umdenken im Einsatz von Pferden bei Karnevalsumzügen wurde unter anderem 2012 durch einen Vorfall in Aachen ins Rollen gebracht. Der Besitzer eines Pferdehofs in der Region hatte einen Drohanruf erhalten. Sollte er wieder Pferde für den Zug verleihen, würde man ihm den Stall abbrennen. Hinter dem Anruf wurden radikale Tierschützer vermutet. Alle Pferde wurden aus Sicherheitsgründen aus dem Zug genommen.

Nur die Aachener Stadtreiter nahmen mit ihren ehemaligen Polizeipferden teil und verkündeten, das ganzjährige Karnevals-Training würde Sedieren überflüssig machen. Andere Reiter und Pferdeverleiher gaben hingegen öffentlich zu, in der Vergangenheit sediert zu haben. Die Veterinärbehörde Aachen forderte daraufhin alle Teilnehmer auf, die Pferde in Zukunft besser vorzubereiten und kündigten verstärkte Kontrollen an.

Tagesablauf für Pferde im Karneval

Wie sieht so ein Tag für ein Karnevalspferd aus? Schon früh beginnt der Tag für die Pferde, Reiter und Läufer, die im Kölner Rosenmontagszug dabei sind. Um 4 Uhr morgens werden die Pferde geputzt und bereits in den jeweiligen Vereinsfarben frisiert. Wenn die Vereine die vereinseigenen Satteldecken und Gamaschen in den Stall gebracht haben, werden die Tiere fertig gesattelt und soweit fertig gemacht, dass man am Zielort nur noch die Trense anlegen muss. Um 8 Uhr kommen die LKWs und Transporter, die die Pferde zu den Vereinslokalen oder Hotels bringen, in denen die Reiter des Vereins warten. Hier erfolgt nun auch die Zuweisung der Nummernplaketten, anhand derer man alle Details wie Name des Pferdes, Reiter, Karnevalsgesellschaft und die Versicherung abrufen kann, falls doch einmal was schief gehen sollte.

Im Anschluss machen sich Pferd und Reiter auf den 15 bis 20 minütigen Weg zum Aufstellplatz am Severinstor in der Kölner Südstadt. Hier haben alle noch einmal die Möglichkeit durch zu schnaufen und ein Frühstück zu sich zu nehmen. Der Aufruf zum Sammeln und Aufsitzen ertönt dann gegen 10.30 Uhr. Nun startet der Umzug und der richtige Trubel beginnt. Neben den Pferden laufen noch die sogenannten Läufer, die im Notfall noch eine Hand an den Zügeln haben und versuchen, das Pferd zu beruhigen. Außerdem sind sie dafür verantwortlich unvorsichtige Kinder und auch Erwachsene davon abzuhalten, unter den Pferden nach Bonbons zu greifen.

Der eigentliche Zug dauert circa vier Stunden und ist 6,5 Kilometer lang. Im Stop-and-Go geht es dann bis zum Ende des Zugwegs an der Mohrenstraße. Von hier müssen die Pferde wieder zu den Transportern, die immer noch an den Vereinslokalen oder Hotels warten. Nach 20 Minuten Rückweg erfolgen die Übergabe und die Heimreise für die Pferde.

Hohes Stresslevel

Selbst für gut trainierte Pferde ist der Rosenmontagszug eine Strapaze. Man sieht viele Pferde im Karneval, die aufgrund des Stress und der Anstrengung stark schwitzen und tänzeln. Insbesondere für Kutschpferde ist der Stress enorm, selbst wenn diese Schützenfeste und Umzüge gewohnt sind. Schmale Gassen, die laute Geräuschkulisse und herum fliegende Gegenstände setzen den Flucht- und Herdentieren zu. Meistens schaukeln sich die Pferde in ihrem Stress gegenseitig hoch und werden so zur Gefahr für sich, den Reiter und die Zuschauer. Tierschutzorganisationen kritisieren darüber hinaus die mangelnde Vorbereitung von Pferd und Reiter.

Und auch die Anreise, aus den meist weit entfernten Reitställen, sei schon sehr anstrengend für die Tiere. Zwar hätten die Behörden die Kontrollen verschärft, doch bei bis zu 500 Pferden oder mehr sind Blutproben nur stichpunktartig realisierbar, und eine leichte Sedierung ist selbst für Tierärzte nicht sofort zu erkennen. Der Deutsche Tierschutzbund fordert deshalb eine drastische Reduzierung der Pferde im Karneval und den ausschließlichen Einsatz gut vorbereiteter Tiere und Reiter. Und für viele tierliebe Jecken stellt sich die Frage, ob man nicht grundsätzlich auf Pferde im Karneval verzichten sollte, um den Tieren diese Strapazen zu ersparen?